Eine lange Straße, links Bäume, rechts Bäume und in der Mitte Asphalt oder ein Schotterweg—das nennt man Allee. Und wer je eine entlang gegangen ist, weiß auch, wie die Verbindung aus dem französischen, aller für Gehen, zustande gekommen sein muss: Lange Zeit kann man auf so einer Allee damit zubringen, einfach nur zu gehen und dabei in den Tunnel aus Bäumen, Ästen und Zweigen zu schauen. Oder zumindest so lange, bis man das Ende der Allee erreicht hat. Und dann kann man immer noch umkehren und zurück zum Ausgangspunkt gehen. Und dann vielleicht dasselbe nochmal, weil es so schön war.
Während die meisten Alleen Deutschlands in Brandenburg zu finden sind—ich erinnere mich an eine Fahrt in den Urlaub, die gefühlte Stunden auf ziemlich buckeligem Kopfsteinpflaster zwischen Bäumen hindurch führte—gibt es auch in der nordhessischen Heimat ein paar Bäume, die an Straßenrändern Spalier stehen und zu einem Besuch einladen. Hier sammle ich die sehenswertesten davon.
Doppelt hält besser
Den Anfang dieser kleinen Sammlung von Nordhessens Alleen macht die Lindenstraße bei Schloss Wilhelmsthal. Sie führt nach Westen vom Schlosspark weg hinauf zum Wald, wo sie in einem Lindenrondell ihren Abschluss findet. Ihre Besonderheit ist die beidseitige Bepflanzung mit jeweils zwei Reihen von Lindenbäumen. Zwischen den inneren und äußeren Baumreihen führt ein Spazierweg hindurch und die schwerste Entscheidung des Tages ist die Frage, ob man lieber auf der linken oder der rechten Seite entlang gehen möchte. Oder eben einfach beides, denn doppelt hält ja bekanntlich besser.

Ein nebeliger Herbstmorgen an der Lindenallee
Wenn im Sommer das Waldschwimmbad am oberen Ende der Allee geöffnet hat, ist auf der Straße etwas mehr Verkehr, denn die, denn dann nutzen die Badewilligen vermehrt die Straße für den Ausflug zum kühlen Nass. Ansonsten geht es hier eher ruhig zu.
Rund um den Reinhardswald
Du bist bei sommerlichen Temperaturen auf dem Weg von Kassel in den Reinhardswald? Dann ist der Straßenabschnitt zwischen den Örtchen Rothwesten und Holzhausen genau das richtige, um während der Fahrt schon etwas Allee-Feeling zu genießen und im Schatten der Bäume nicht zu sehr ins Schwitzen zu geraten. Hier und da fehlt mittlerweile der ein oder andere Baum, zwar wurde bereits nachgepflanzt, aber die kleinen Bäume brauchen natürlich noch einige Zeit, bis sie ihre Geschwister größenmäßig eingeholt haben. Und wenn du so wie ich im beginnenden Herbst in der Früh unterwegs bist, hast du vielleicht Glück und ein malerisches Gemisch aus Sonne und Nebel verwandelt die Landstraße in einen echten Märchenweg.

Unterwegs in den Märchenwald
Auch aus Richtung Hofgeismar kommend führt eine Kreisstraße hinein in den Reinhardswald, die von stattlichen Eichen gesäumt ist. Der Alleen-Charakter ist nicht so stark ausgeprägt, weil die Eichen direkt an den Wald angrenzen, aber wegen der Senke in der Straßenführung gehört sie zu meinen Lieblingsalleen des Kasseler Umlands.

Kreisstraße im Reinhardswald
Und dann gibt es noch das Örtchen Beberbeck, das mit unter 100 Einwohnern zu den eher überschaubaren Wohngebieten zählen dürfte. In Relation dazu ist die Anzahl der Bäume rund um den Ortskern deutlich höher, auf einer schnurgeraden Straße führt eine Allee durch die Landschaft, gesäumt von stämmigen alten Eichen, links und rechts nichts als Felder, Alleen-Feeling deluxe, keine Frage, idyllischer geht es eigentlich kaum.

Alte Eichen an der Allee bei Beberbeck
Zur der Aufzählung der schönsten Alleen gehören natürlich auch die Spazierwege im Tierpark Sababurg, auf den meisten ihnen wanderst du unter alten Eichenbäumen, deren Äste hoch oben in der Luft ein geschlossenes Dach aus Holz und Blättern bilden. Als Bonus können auch die Tiere des Tierparks bewundert werden, die auf ihren riesigen Arealen ihrem Tierdasein nachgehen und sich für die schönen Alleen herzlich wenig interessieren.

Eine Allee aus alten Eichen im Tierpark Sababurg
Und wenn wir schon im Reinhardswald sind, darf der Urwald Sababurg nicht unerwähnt bleiben. Zwar gibt es in einem Urwald aus nachvollziehbaren Gründen keine Alleen, jedoch eine Menge steinalter Eichen, die auf jeden Fall einen Besuch wert sind.
Westlich von Kassel
Mitten im Habichtswald befindet sich eine schöne Allee aus alten Kastanienbäumen, die den passenden Namen Kastanienallee trägt. Sie ist am besten vom Parkplatz des Herkules auf einem Spaziergang zu erreichen.

Mitten im Naturpark Habichtswald liegt die Kastanienallee
Wie die meisten Kastanienbäume haben auch diese mit dem Befall der Miniermotte, und vor allem deren Larven, zu kämpfen und verlieren ab dem späten Sommer ein wenig von ihrer stattlichen Pracht. Im Frühjahr jedoch, wenn die Kastanienblüte stattfindet, sind sie mit ihren üppigen weißen Blüten ein echter Hingucker und der Weg eine echte Empfehlung.
Alleen in der Kasseler Innenstadt
Auch in der Stadt Kassel selbst gibt es schöne Alleen zu bewundern, allen voran natürlich die berühmte Wilhelmshöher Allee, die von der Innenstadt schnurgerade nach Westen über 4,6 Kilometer bis zum Eingang des Bergparks Wilhelmshöhe in Kassel führt. Der Blick aus Richtung Osten hinauf zum Herkules ist immer wieder beeindruckend und zu jeder Jahreszeit empfehlenswert. Durch die Breite der Straße, in deren Mitte auch noch Straßenbahnschienen liegen, geht der typische Alleen-Charakter allerdings etwas verloren, die Bäume wirken an den Rand gedrängt und fallen kaum als stilgebendes Element auf. Auch ist die Bepflanzung nicht durchgängig gleichmäßig, was ich als Alleen-Fan natürlich bemängeln muss. Zudem rollt über die Wilhelmshöher Allee tagtäglich eine beträchtliche Menge Straßenverkehr, vom entspannten Spaziergang unter dichten Blätterdächern sind wir hier also weit entfernt.

Blick von der Wilhelmshöher Allee Richtung Herkules
Mehr Alleen-Feeling bieten kleinere Straßen, die etwas weiter von der Innenstadt entfernt sind, zum Beispiel die Goethestraße, hier wachsen hohe stattliche Platanen mit ausladenden Kronen. Der obere Teil der Goethestraße wurde mittlerweile zur Fahrradstraße umgebaut und ist nur noch für Anliegerverkehr zu befahren. Die Häuser der Goethestraße gehören zu den wenigen, vom Krieg verschonten Altbauten in Kassel und geben der Straße einen besonderen Charakter. Im normalen Tagesbetrieb ist die Goethestraße beidseitig von Autos beparkt.

Der obere Teil der Goethestraße in Kassel
Meine Lieblingsallee in Kassel ist die Landgraf-Karl-Straße, auch wenn sie verglichen mit der Wilhelmshöher Allee nur kurz ist.

Beuys-Bäume in der Landgraf-Karl-Straße in Kassel
Eichen in der Karlsaue
Für die Freunde der gepflegten Symmetrie hat der Staatspark Karlsaue in der Mitte von Kassel ein besonderes Highlight parat: in gerade Sichtlinien vom zentralen Bauwerk der Karlsaue, der Orangerie, führen drei mit Eichen gesäumte Spazierwege in südwestlicher Richtung, zu jeder Jahreszeit ein schöner Anblick.

Eichenalleen in der Karlsaue
Hauptfriedhof
Den Abschluss dieser kleinen Liste bildet—wie sollte es auch anders sein—der Friedhof. Er liegt in der Nordstadt an der vielbefahrenen Holländischen Straße, aber bevor dich das nun abschreckt: Im Inneren des Friedhofs merkt man davon eher wenig. Auch wenn es vielleicht etwas merkwürdig anmutet, einfach so über einen Friedhof zu spazieren, ist dies eine klare Empfehlung, denn der Aufbau des Friedhofs gleicht einem großzügig geschnittenen Park. Und das Beste: Es gibt Alleen, da die langen Wege auf dem Friedhof oft beidseitig mit Bäumen bepflanzt sind.

Eichenallee im Herbstgewand am Kasseler Hauptfriedhof
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